Gedanken zur Jahreslosung 2012 von Nikolaus Schneider, EKD-Ratsvorsitzender:
Eine wahrhaft entlastende Aussage steht über dem Jahr 2012. "Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig" lautet die Jahreslosung 2012, die im 2. Korintherbrief, Kapitel 12, Vers 9 steht. Wer sich das zu Herzen nimmt, kann aufatmen. Denn das heißt doch: Nicht ich allein muss alles schaffen, muss nicht immer mehr erreichen, nicht immer schneller, höher, weiter gehen – ich darf auch meine Schwäche eingestehen. Und gerade dann will Gott mir zur Seite stehen.
Gott mutet den Menschen auch Enttäuschungen zu. Auch den Menschen, die an ihn glauben und ihm vertrauen. Nicht alle Gebete werden erhört, die Fragen nach dem "Warum?" des Leidens bleiben unvermeidlich unbeantwortet. Gott ist kein Automat, in den ich oben Gebet hineintue und unten dann Erfüllung herauskommt.
Ent-Täuschung heißt aber doch: Uns wird etwas genommen, worin wir uns getäuscht haben und worin wir uns auch gerne weiter täuschen würden. Dass wir allein mit unserer eigenen Kraft unser Leben absichern können, dass unsere Erwartungen an das Leben sich allesamt erfüllen, dass Gott uns für unsere guten Taten mit Glück und Erfolg belohnt, dass der Glaube an Gott uns vor Leiden bewahrt.
Gott erfüllt unsere Hoffnungen und unser Gebet anders als wir es erwarten, er kann aus dem Kleinsten und Nebensächlichsten große Bewegung schaffen, er kann aus vermeintlicher Schwäche einen großen Anfang schaffen und aus vermeintlicher Ohnmacht eine Autorität der Wahrheit entstehen lassen. Lass dir an meiner Gnade genügen, das heißt für mich: Sperre Gottes Tun nicht ein in Deine Erwartungen, nimm ihn nicht gefangen mit Deiner Hoffnung, Gott ist frei und kann heilen und helfen, anders als Du es je könntest.
Das neue Jahr 2012 mag ein schwieriges Jahr werden, in Politik und Gesellschaft ahnt man schon die gewaltigen Herausforderungen, im persönlichen Bereich kommen diese häufig ohne Vorwarnung und Ankündigung.
Aber darin besteht die befreiende Botschaft der Jahreslosung. Wer sich im Hamsterrad des Alltags gefangen fühlt, auf wen oft beunruhigende Nachrichten im Minutentakt herab prasseln, darf innehalten und darf sich dieser Kraftquelle vergewissern. Gott will mit seiner Kraft mit und in unserer Schwäche wirken. Er will die Hände, die wir ihm entgegenstrecken, füllen mit Zuversicht und Geduld. Damit wir sie nicht resigniert sinken lassen, sondern uns unverzagt dem Leben zuwenden.
(Quelle: www.ekd.de)